August 10, 2023
Kreislaufgesellschaft,Perspektiven

Recycled Content in Halbzeugen - Wieland Gruppe für Konkretisierung einer transparenten Berechnung

Ein Interview mit Andreas Torka und Stefan Priggemeyer

Recycled Content in Halbzeugen - Wieland Gruppe für Konkretisierung einer transparenten Berechnung

Das Recycling von Metallen ist schon lange etablierter Bestandteil der Industrie. Im Kontext des Klimawandels, verstärkter Nachhaltigkeitsbemühungen und der Kreislaufwirtschaft hat es jedoch eine neue und noch größere Bedeutung erlangt. Vor diesem Hintergrund gilt es, Richtlinien und Anforderungen für die Berechnung des recycelten Metalls in neuen Produkten zu vereinheitlichen und klar zu definieren.

Um dieses Problem anzugehen und einen standardisierten Ansatz für Recycled Content Berechnungen zu ermöglichen, hat die Wieland Gruppe ein Whitepaper veröffentlicht (Link zum Paper). Darin wird der Begriff „Recycled Content“ konkretisiert und einheitliche Berechnungsmethoden werden vorgeschlagen. Das Whitepaper soll als Diskussionsgrundlage dienen und auf dem Weg zu einer gemeinsamen Position metallproduzierender und -verarbeitender Unternehmen helfen. Das Ziel ist es, den Interpretationsspielraum bestehender Normen zu minimieren, um so Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen zu gewährleisten.

Für ein besseres Verständnis der bestehenden Problematik und der von Wieland vorgeschlagenen Lösungsansätze haben wir ein Interview mit Andreas Torka, Senior Vice President Sustainability & Technology, sowie Stefan Priggemeyer, Senior Director ESG Affairs und Hauptverfasser des Papers, geführt.

 

Was für eine Rolle hat Recycling und recyceltes Kupfer in der Vergangenheit bis heute für Wieland gespielt?

Torka und Priggemeyer: Für die Wieland Gruppe hat Recycling und somit auch recyceltes Material seit 203 Jahren, also seit der Gründung, eine große Bedeutung. Kupfer zeichnet sich nicht nur durch seine hohe Recyclingfähigkeit aus. Kupfer fungiert gleichzeitig als „Enabler“ für das Recycling vieler anderer Materialien, da der Wert von Kupfer häufig den Aufwand für die Zerlegung von End-of-life-Produkten finanziert.

Was ist Recycled Material im Kontext von Kupfer und wo liegt der Unterschied zwischen Pre- und Post-Consumer Schrotten?

Priggemeyer: Die ISO14021 definiert „Recycled Content“ als eine Größe, die den prozentualen Anteil von Pre- und Post-Consumer Abfall (in unserem Fall Schrott) in einem neuen Produkt beschreibt. Pre-Consumer Schrotte sind dabei diejenigen, die innerhalb der Lieferkette bis zur Herstellung eines neuen Produktes anfallen, während Post-Consumer Schrotte nach dem Ende der Produktlebensdauer bei der Wiederverwertung entstehen. Der Anteil beider Schrottarten im neuen Produkt bestimmt den Recycled Content.

Im Rahmen der ISO-Normen gibt es immer wieder Unklarheiten bei der Berechnung und bei der Festlegung der Systemgrenzen. Was sind die größten Probleme, die hierbei entstehen?

Priggemeyer: Ein Hauptproblem besteht darin, dass die Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen aufgrund uneinheitlicher Richtlinien und Anforderungen beeinträchtigt wird. Die ISO 14021 gibt beispielsweise vor, dass Pre-Consumer Schrotte für die Berechnung des Recycled Content herangezogen werden können, außer wenn sie im gleichen Prozess wiederverwendet werden, in dem sie entstanden sind. Diese Festlegung der Systemgrenzen ist jedoch oft interpretierbar und führt zu Uneinheitlichkeit bei der Berechnung des Recycled Content. Einige Unternehmen argumentieren, dass die Gießerei zunächst ein eigener Prozess ist und zugleich der einzige Prozess, in dem entstandene Schrotte problemlos wiederverwendet werden können. Andere Unternehmen sehen die komplette Produktion als einen zusammenhängenden Prozess, was das Heranziehen von Pre-Consumer Schrotten nach ISO-Definition komplett verhindern würde.

Torka: Es ist wichtig, ein einheitliches Verständnis zu schaffen, um die Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Für unser Verständnis ist die Gießerei ein eigener Prozess. Diese Festlegung ermöglicht die Einbeziehung der später entstandenen Schrotte als Pre-Consumer Schrotte und schafft einen vergleichbaren Rahmen für alle Unternehmen.

Zitat
Viele Unternehmen haben mittlerweile eine klare Nachhaltigkeitsagenda und dabei erkannt, wie wichtig es ist, den Recycled Content in ihren Produkten auszuweisen und diesen falls möglich zu erhöhen, um nachhaltiger und umweltfreundlicher im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu agieren.

Andreas Torka

Wieso ist ein einheitliches, standardisiertes Verständnis des Recycled Content Begriffs vor allem für die Zukunft wichtig?

Torka: Viele Unternehmen haben mittlerweile eine klare Nachhaltigkeitsagenda und dabei erkannt, wie wichtig es ist, den Recycled Content in ihren Produkten auszuweisen und diesen falls möglich zu erhöhen, um nachhaltiger und umweltfreundlicher im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu agieren. Allerdings treten Probleme auf, wenn es darum geht, den Recycled Content tatsächlich zu messen und zu dokumentieren, da unterschiedliche Unternehmen und Akteure an verschiedenen Punkten im Produktions- und Lieferprozess stehen und ein unterschiedliches Verständnis von Recycled Content haben.

Dieses Problem wird auf der Marktseite verstärkt, wo Kunden Begriffe wie Pre- und Post-Consumer Schrotte durcheinanderbringen. Es werden zwar Anforderungen bezüglich des Recycled Contents gestellt, jedoch fehlen häufig klare Definitionen, was genau darunter zu verstehen ist. Dies führt zu Unsicherheit und Komplexität, vor allem für Unternehmen wie Wieland, die sich mitunter eher am Anfang der Lieferkette befinden und indirekt von den Anforderungen der Endkunden und der OEMs (Original Equipment Manufacturers) betroffen sind. Der Prozess wird zusätzlich verkompliziert, da mehrere Akteure zwischen den Urhebern der Anforderungen und den Halbzeugherstellern agieren.

Für Wieland ist es auch entscheidend, wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn die Definitionen und Anforderungen unklar sind, kann es zu unterschiedlich strengen Umsetzungen innerhalb der Unternehmen kommen. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die ISO-Normen weit genug gehen und gegebenenfalls spezifiziert werden, um klare Leitlinien zu schaffen.

Das von der Wieland Gruppe entwickelte Whitepaper bietet einen Ansatz zur Standardisierung des Recycled Contents. Wenn dieser Ansatz in der Branche und bei den Kunden großflächig etabliert wird, hat er das Potenzial, Greenwashing und die Auswirkungen verschiedener Interpretationen zu minimieren.

Im Paper wurde gesagt, dass Ineffizienz in der Produktion/Weiterverarbeitung (in Form von großem Auftreten von Pre-Consumer Schrotten) nicht belohnt werden sollte durch erhöhte Recycled Content Quoten. Wie sehen Sie die verschiedenen Motivationen für Herangehensweisen an die Berechnung von Recycled Content?

Priggemeyer: Hier ist wichtig zu erwähnen, dass der Recycled Content zwar eine wichtige Kennzahl für die Nachhaltigkeit eines Produktes ist, aber nicht die Einzige, d.h. Kunden müssen klar differenzieren. Eine weitere entscheidende Kennzahl ist der Product Carbon Footprint (PCF), also der CO2-Fußabdruck eines Produktes. Es wäre theoretisch möglich, den Recycled Content durch erhöhtes Aufkommen von Pre-Consumer Schrott zu manipulieren. Jedoch hätte dies negative Auswirkungen auf den produktbezogenen PCF. Denn wenn vermehrt Pre-Consumer Schrott produziert wird, verringern sich die Produktionsmengen, was zu einem höheren Anteil der klimawirksamen Emissionen auf die jeweiligen Endprodukte führen würde. Aus dieser Perspektive ist es für Unternehmen keine gute Option, den Recycled Content auf Kosten des PCF zu steigern.

Torka: Darüber hinaus ist es auch wirtschaftlich unattraktiv, Material unproduktiv innerhalb des Unternehmens im Kreis zu drehen, insofern ist dies auch nur ein theoretisches Modell.

Wie viel Transparenz kann realistischerweise hergestellt werden in diesem Kontext? Und welche Akteure sind maßgeblich wichtig, um ein einheitliches System herzustellen?

Priggemeyer: Transparenz spielt natürlich eine entscheidende Rolle bei der Schaffung eines einheitlichen Systems für den Recycled Content. Da die Datenerfassung von einzelnen Schrotten schwierig zu gestalten ist, könnte die alternative Berechnungsmethode „1 – Primärmetalleinsatz / Shipments“ die Transparenz erhöhen. Primärmetalle und ihre Zusammensetzung sind häufig viel besser dokumentiert und können so die nötigen Angaben zum enthaltenen Recycled Content bereitstellen.

Dieser Ansatz funktioniert jedoch nicht, wenn man Pre- und Post-Consumer Schrotte getrennt angeben möchte. Hierbei ist die Einbeziehung von Schrotthändlern unumgänglich. Sie verfügen i.d.R. über die Informationen über Post-Consumer Schrotte und ihre Zusammensetzung, die für die getrennte Berechnung des Recycled Contents relevant sind.

Letztlich haben Verbände eine Schlüsselrolle bei der Moderation des Prozesses. Sie können die Herangehensweisen an die Berechnung und Festlegung von Standards akkurat an OEMs und vorgelagerte Kunden kommunizieren, und so die Transparenz und das Verständnis für die vorliegenden Zahlen verbessern.

Im Rahmen der NKWS und anderen Regularien kommen Themen wie verpflichtende Quoten für Recycled-Material-Einsatz auf die politische Agenda. Wie schätzen Sie die Nachfrage nach Recycled Content in diesem Zusammenhang ein? Sind solche Quoten nötig, oder ist der Einsatz von recyceltem Material ohnehin schon vorteilhaft genug für Unternehmen?

Torka: Wir sehen keine Notwendigkeit für verpflichtende Quoten, da Kupfer von Natur aus wertvoll ist und Recycling bereits ökonomisch von Vorteil ist. Die Nachfrage nach recyceltem Material wird durch Trends wie Digitalisierung und Elektrifizierung weltweit zunehmen. Hinzu kommt, dass Kupfer oft lange in Produkten gebunden ist. Gesetze wie verpflichtende Quoten erhöhen Druck, machen den Wertstoff jedoch nicht leichter verfügbar. Der Wettbewerb um Schrotte und dadurch das Recyclen von Kupfer wird auf ganz natürliche Art weiter zunehmen, da die Nutzung dieser Schrotte positive Einflüsse auf die Unternehmensposition bei Kreislaufwirtschaft, Recycled Content und CO2 Ausstoß hat.

Priggemeyer: Sollte der Staat recyclingfördernde Vorgaben oder Quoten beschließen wollen, würden wir unterstützende Maßnahmen für die Verbesserung von Sammlung, Trennung und Aufbereitung von End-of-life Schrotten begrüßen.

Das Interview verdeutlichte noch einmal, dass der Einsatz von recyceltem Material für die Wieland Gruppe von zentraler Bedeutung ist und in der Metallindustrie eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Das entwickelte Whitepaper ist ein wichtiger Debattenbeitrag in Richtung Standardisierung und Transparenz. Außerdem wurde deutlich, dass eine einheitliche Basis für das Verständnis von Recycled Content essentiell ist, um Interpretationsspielraum zu minimieren und Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen zu ermöglichen.

Wir möchten uns noch einmal bei Andreas Torka und Stefan Priggemeyer von der Wieland Gruppe für das Interview und die wertvollen Einblicke bedanken.

Hier geht es zum Whitepaper: https://www.wieland.com/de/content/download/18725/file/White-Paper-Recycled-Content-Wieland_01.2023.pdf

Ihr Kontakt zu uns.

Noch offene Fragen? Tritt mit uns in den Kontakt. Wir suchen den Dialog.

Kontakt aufnehmen
Cookie-Einstellungen
Auf dieser Website werden Cookie verwendet. Diese werden für den Betrieb der Website benötigt oder helfen uns dabei, die Website zu verbessern.
Alle Cookies zulassen
Auswahl speichern
Individuelle Einstellungen
Individuelle Einstellungen
Dies ist eine Übersicht aller Cookies, die auf der Website verwendet werden. Sie haben die Möglichkeit, individuelle Cookie-Einstellungen vorzunehmen. Geben Sie einzelnen Cookies oder ganzen Gruppen Ihre Einwilligung. Essentielle Cookies lassen sich nicht deaktivieren.
Speichern
Abbrechen
Essenziell (1)
Essenzielle Cookies werden für die grundlegende Funktionalität der Website benötigt.
Cookies anzeigen
Statistik (1)
Statistik Cookies tracken den Nutzer und das dazugehörige Surfverhalten um die Nutzererfahrung zu verbessern.
Cookies anzeigen