In Zusammenarbeit mit der PEM Motion GmbH sowie der RWTH Aachen hat Speira ein Konzept für zylindrische Lithium-Ionen-Batterien mit Aluminium-Zellgehäuse entwickelt. Publications (speira.com). Dank des neuen Zellgehäusekonzeptes kann ein stark verbessertes Wärmemanagement in der Zelle realisiert werden, das gegenüber herkömmlichen Gehäusen zu einer längeren Lebensdauer der Zelle und deutlich schnelleren Ladenzeiten bei gleichzeitig verbesserter gravimetrischer Energiedichte führt. Mehr Ladezyklen und ein hoher Anteil an recyceltem Aluminium in der Legierung für das Zellgehäuse reduzieren den ökologischen Rucksack der Gesamtzelle signifikant. Zu den Vorteilen des Zellkonzeptes und zu den Hürden im Transformationsprozess klassischer Zellkonzepte haben wir ein Interview geführt mit Hartmut Janssen, Head of New Business Development & Innovation bei der Speira GmbH.
MPro: Herr Janssen, ist es eigentlich üblich für einen Erzeuger und Produzenten von Aluminium-Halbzeugen, so proaktiv in die Produktentwicklung einzusteigen? Ist das nicht eher die Aufgabe der Downstream-Produzenten?
Janssen: Genau, das könnte man meinen. Für uns als Halbzeug-Lieferant ist es aber sehr wichtig, geradezu essenziell, die sich im Wandel befindenden Märkte stets im Auge zu behalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden. Das gehört zu einer vorausschauenden Unternehmensführung einfach dazu. Das heißt: Wenn wir einen interessanten Markt identifizieren, in dem der Werkstoff Aluminium unserer Ansicht nach unterrepräsentiert ist, obwohl er mindestens die notwendigen qualitativen Materialeigenschaften mitbringt, dann stecken wir unsere Köpfe zusammen und beginnen mit der Entwicklung eines entsprechenden Produkts. Wenn dann dabei herauskommt, dass das Produkt noch einige Vorteile gegenüber der Konkurrenz mitbringt – umso besser.
MPro: Die Batteriezellentechnologie ist aktuell einer der meistbeforschten Wissenschaftsbereiche. Haben Sie denn das notwendige Know-how dafür an Bord?
Janssen: Ein Grundverständnis der für uns eigentlich fachfremden Technologie ist sicherlich notwendig, um überhaupt erst die Entwicklungspotenziale zu erkennen, bei denen Aluminium einen Mehrwert bieten kann. Bei der fachlichen Ausarbeitung unserer Ideen gehen wir allerdings Partnerschaften mit anderen Stakeholdern ein, wie etwa der RWTH Aachen. Wir haben nicht den Anspruch, die Batteriezelle neu zu erfinden, wollen sie im Übrigen auch nicht selbst produzieren, falls dieser Eindruck entstanden ist. Wir wollen mit unserer Studie zum Einsatz von Aluminium-Zellgehäusen für zylindrische Lithium-Ionen-Batterien zeigen, dass eine Aluminiumverschalung der Zelle erhebliche thermische Vorteile mit sich bringt. Am Ende entscheiden natürlich die Kunden, welchen technischen Weg sie gehen wollen. Es ist gewissermaßen unsere Verantwortung, den Batteriezellherstellern zu zeigen, wie sie das Potential der Zelle weiter maximieren können, wenn sie den Aluminiumweg gehen. Das machen andere Branchen aber ganz genauso. Hier gibt es eben einen Wettstreit um das beste Produkt, das beste Material.
MPro: Neben den technischen Anforderungen an ein Produkt entscheiden heute auch die Parameter der Nachhaltigkeit darüber, was sich durchsetzt und was nicht. Inwiefern spielen zum Beispiel Treibhausgasemissionen und Kreislauffähigkeit des Produktes eine Rolle bei der Produktentwicklung?
Janssen: Das ist ganz sicher so. Eine ganze Reihe von Nachhaltigkeitsparametern sind heute elementar für die Bewertung der Zukunftsfähigkeit eines Produktes. Bei diesem konkreten Projekt hatten wir zum Beispiel das Ziel, eine Legierung zu finden, die die notwendigen werkstofflichen Eigenschaften mitbringt und gleichzeitig einen sehr hohen Anteil an recycliertem Metall zulässt. Das ist uns gelungen – bis zu 80 % Prozent kann der Anteil an Sekundäraluminium betragen. Das ist ein hervorragendes Ergebnis und reduziert den ökologischen Fußabdruck signifikant.
Häufig ist es im Übrigen auch so, dass sich Leistungs-, Qualitäts- und Nachhaltigkeitsindikatoren nicht im Wege stehen, sondern geradezu gegenseitig verstärken. Beim Einsatz von Aluminium-Zellgehäusen kommt die thermische Wärmeleitfähigkeit von Aluminium sowohl der generellen Langlebigkeit als auch den zu erreichenden Ladegeschwindigkeiten zugute. Mehr Ladezyklen und eine längere Lebensdauer sind insbesondere im Hinblick auf einen nur langsam in Fahrt kommenden Markt für Batterierecycling ein wichtiger Aspekt bei der Elektromobilität. Gleichzeitig kann Aluminium mit seiner geringen Dichte die gravimetrische Energiedichte der Zelle erhöhen und zur Gewichtseinsparung im Gesamtfahrzeug beitragen. Letztendlich werden dadurch Emissionen gesenkt.
MPro: Sie haben eben bereits das Thema Recycling angesprochen. Welche Rolle spielt Design-for-Recycling für die Produktentwicklung bei Speira?
Janssen: Design for Recycling spielt eine große, und immer größer werdende Rolle. Aus unserer Sicht beginnt das Thema bereits bei der richtigen Werkstoffauswahl. Es ist nur wenig ressourcenschonend, wenn ein Produkt zwar so konstruiert ist, dass es sich am Ende seiner Lebensdauer wieder in Einzelkomponenten zerlegen lässt, die Komponenten dann aber trotzdem nur downgecycelt werden können, da sie mit jedem Zyklus an Qualität verlieren. Welche Werkstoffe eingesetzt werden, ist also entscheidend für einen gelungenen Design-for-Recycling Ansatz und das ist auch der Bereich, auf den wir als Aluminiumhersteller den größten Einfluss nehmen können. Zu diesem Zweck entwickeln wir seit Jahren immer recyclingfreundlichere Legierungen, die am Ende der Produktlebensdauer – beispielsweise der einer Batteriezelle – auch immer einfacher und effizienter einem Recyclingprozess zugeführt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass die Batteriezellkomponenten möglichst sortenrein voneinander getrennt werden können. Noch ist das meist mühsam und teilweise auch kostspielig. Dennoch ist es ist die geteilte Verantwortung von uns, den Batteriezellherstellern und der Abfallwirtschaft, dass die Zellen umfassend gesammelt, zerlegt und wieder in den Kreislauf gebracht werden können.
MPro: Angenommen, das in Ihrer Studie vorgestellte Zellkonzept bestätigt auch in den anstehenden Praxistests seine Tauglichkeit und verbesserten Produkteigenschaften, wann werden wir LIBs mit Aluminium-Zellgehäuse im Alltag sehen?
Janssen: Für prismatische und pouch Zellformate sind Aluminium-Zellgehäuse bereits etablierter Standard. Wann die Zellhersteller auch für zylindrische Zellformate den Wechsel zum Aluminium wagen, das ist schwer zu sagen. Wir sind zuversichtlich, dass die Praxistests unsere Annahmen zum Produkt bestätigen, aber es spielen noch andere Faktoren im Markt in diese Entwicklung hinein. Wie bei jeder Transition von einem stabilen Gleichgewicht zu einem anderen, gibt es unterwegs Unruhe. Etablierte Verfahren müssen hinterfragt oder verändert werden, neue Produktionsprozesse entstehen und alte werden abgelöst. Das hat Konsequenzen weit über die konkreten Produkteigenschaften hinaus. Lange etablierte Verfahren haben eine gewisse Trägheit und unterliegen Pfadabhängigkeiten kultureller, sozialer, technischer wie infrastruktureller Natur. Unsere Gespräche mit den Produzenten sind allerdings sehr vielversprechend und unser Produkt stößt auf großes Interesse. Es wird daher sicherlich in nächster Zukunft erste Praxisbespiele geben.
MPro: Herr Janssen, vielen Dank für das Gespräch.
Exkurs: Aluminium-Zellgehäuse für zylindrische Lithium-Ionen-Batterien (LIBs)
Das Zellgehäuse aus Aluminium ermöglicht eine erhebliche Verbesserung der Schnellladeleistung von großen zylindrischen LIBs wie dem 4680-Zellformat. Gleichzeitig ermöglicht das Speira ION-Zellgehäusematerial einen hohen Recyclinganteil und einen geringen CO2-Fußabdruck, während es alle erforderlichen Spezifikationen modernster LIBs in Bezug auf mechanische Festigkeit, gute Umformbarkeit, Schweißbarkeit sowie Elektrolytkompatibilität erfüllt. Die Vorteile eines Aluminiumgehäuses passen perfekt zu den Anforderungen von LIBs mit hoher Energie- und Leistungsdichte für Elektrofahrzeuge. Die verbesserte Leistungsfähigkeit der Zellen macht sie jedoch auch für Elektrowerkzeuge geeignet, während die überlegene gravimetrische Energiedichte LIBs mit einem Aluminiumgehäuse zu einer attraktiven Lösung für Flugzeuganwendungen machen könnte.
Folgende Eigenschaften sind elementar für ein Batteriezellgehäuse:
Festigkeit: Konkurrenzfähige volumetrische und gravimetrische Energiedichten erfordern hochfeste Materialien, um die Wandstärke so gering wie möglich zu halten und gleichzeitig höchste Sicherheitsstandards zu erfüllen.
Chemische Elektrolytverträglichkeit: Um der Korrosion keine Chance zu geben, müssen die Zellgehäuse gegen chemische Reaktionen mit dem Elektrolyten beständig sein.
Nachhaltigkeit: Die Batterie- und Automobilindustrie strebt minimale Treibhausgasemissionen und Abfallerzeugung an. Daher müssen die Gehäusematerialien für die Zellen auf einen hohen Recyclinganteil und zuverlässige Kreislaufkonzepte ausgelegt sein. Speira Ion Cell für zylindrische Zellgehäuse ermöglicht einen Recyclinganteil von bis zu 80 %.