November 21, 2023
Kooperationen,Kreislaufgesellschaft,Live,Perspektiven,Responsible Sourcing

Balanceakt zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen: Wie kann eine moderne Rohstoffpolitik der EU gestaltet sein?

Balanceakt zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen: Wie kann eine moderne Rohstoffpolitik der EU gestaltet sein?

Am vergangenen Montagabend erzielten die Trilogverhandlungen eine wegweisende Einigung über den endgültigen Text des Critical Raw Material Acts (CRMA). In der Rohstoffpolitik ist der CRMA mit das wichtigste Dossier. Die darin gebündelten Maßnahmen sollen Europas Versorgungssicherheit mit Hilfe einer Diversifizierung der Bezugsquellen, einer starken Förderung der europäischen Kreislaufwirtschaft sowie dem Ausbau der Partnerschaften mit rohstoffreichen Drittländern sicherstellen. Die Umsetzung dieser Maßnahmen stellt zweifellos eine anspruchsvolle Aufgabe dar und beleuchtet diverse Punkte, die sorgfältig berücksichtigt werden müssen. Die Wahrung von Menschenrechten und Naturschutz dürfen der Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht untergeordnet werden. Die potenzielle Entstehung neo-imperialistischer Strukturen ruft bei einigen Interessensgruppen Sorge und Protest hervor.

Um innerhalb dieses Spannungsfeldes besser navigieren zu können und vor allem einen Perspektivaustausch zu ermöglichen, veranstalteten wir eine Stakeholderdebatte mit dem Titel „Balanceakt zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen – Wie kann eine moderne Rohstoffpolitik der EU gestaltet sein?“. Gemeinsam mit dem Gastgeber MdEP Matthias Ecke aus dem Industrieausschuss, fanden die Debatten im Europäischen Parlament statt.

6 Ecke

Die erste Debatte fokussierte sich auf eine regionale EU-Rohstoffpolitik, wobei die lokale Rohstoffgewinnung und -verarbeitung sowie die Kreislaufwirtschaft im Mittelpunkt standen. Vertreter*innen von der Speira GmbH, Transport & Environment und der IG Metall diskutierten gemeinsam mit MdEP Matthias Ecke. Schnell wurden die Spannungen zwischen Klima- und Umweltpolitik deutlich. Die aktuelle Transformationspolitik erfordert zunehmend diverse Rohstoffe, deren Gewinnung und Verarbeitung häufig im Konflikt mit Naturschutz und Menschenrechten steht. Hinzu kommt, dass lokale Gemeinden in Europa viel Widerstand gegen eine Verlagerung der Rohstoffgewinnung nach Europa leisten. „Not in my backyard“ wird hier vielerorts laut und erschwert maßgeblich den Ausbau lokaler Infrastruktur für Abbau und Weiterverarbeitung.

Eine (Teil-)Lösung, die wiederkehrend aufkam, ist zweifelsfrei die Kreislaufwirtschaft. Diese benötige jedoch bedeutende Förderung und politische Unterstützung. Derzeit stellt der bürokratische Aufwand für Förderanträge eine bedeutende Hürde dar. Aus der Industrie wird betont, dass so gesetzte Meilensteine in der unternehmensinternen Transformation schwer zu erreichen sind und auch das Marktumfeld diese Bestrebungen nicht immer unterstützt.

Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass öffentliche Gelder mit klar definierten Bedingungen verbunden sein sollten. Um die Wahrung ökologischer und sozialer Interessen sicherzustellen, müssen die Anforderungen für den Erhalt von Förderungen all diese Parameter berücksichtigen und konkret formuliert sein.

Matthias Ecke fasste am Ende der Diskussion noch einmal die aufgeworfenen Probleme zusammen. Während er der Notwendigkeit vereinfachter Förderbedingungen zustimmt, weist er auch erneut auf die generelle Knappheit von europäischen Fördermitteln hin. Bezüglich der Verlagerung hin zu einer regionalen Rohstoffgewinnung betont Ecke, dass vor allem die Verarbeitungskapazität von Rohstoffen in Europa vergrößert werden muss. Gleichzeitig sei jedoch die Stärkung einer solchen Infrastruktur im globalen Süden von großer Bedeutung für Partnerschaften und Kooperationen.

Damit wurde treffend zur zweiten Debatte übergeleitet, in der die Ausgestaltung von Rohstoffpartnerschaften diskutiert wurde, die sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt sicherstellen. Diskutant*innen waren Vertreter*innen der Diehl Gruppe, der Friedrich-Ebert-Stiftung, der EPICO KlimaInnovation sowie Matthias Ecke.

4 Conrads gr

Aus der Industrie wurde die Herausforderung einer zunehmend alternden Bevölkerung innerhalb der EU verdeutlicht. Im Wettbewerb mit den USA und China kommt hinzu, dass diese Länder keine vergleichbar umfangreichen Regulierungen zum Rohstoffhandel etabliert haben. Um im globalen Wettlauf um kritische Rohstoffe nicht zurückzufallen, muss die EU dringend diese Konkurrenz im Rahmen der Rohstoffpolitik berücksichtigen. Gleichzeitig wurde die Notwendigkeit von strategischen Partnerschaften auf Augenhöhe betont. Dabei kann jedoch kein EU-Unternehmen allein die Verantwortung für Menschenrechte und Umweltschutz tragen. Lokalen Regierungen muss ein ebenso großer Teil der Verantwortung zukommen.

Diesem Argument wurde in der Diskussion zugestimmt, die Vertretungen der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie der EPICO KlimaInnovation wiesen aber auf die absolute Notwendigkeit des Schutzes von lokalen Gemeinden in Abbauregionen im globalen Süden hin. Das Vertrauen dieser Länder gegenüber EU-Staaten ist schwer beschädigt, und eine EU-Rohstoffpolitik muss als Ziel haben, dieses Vertrauen wiederherzustellen. Dabei ist der CRMA nur eine einzelne EU-Verordnung, die nicht alle Probleme gleichermaßen behandeln kann. Dennoch sollten Aspekte der Gleichberechtigung und Sicherstellung beidseitigen Nutzens bei der Formung neuer Partnerschaften gesetzlich abgesichert sein. Rohstoffreiche Länder dürfen niemals als reine Rohstoffbanken betrachtet werden, und lokale Akteure müssen in Verhandlungsprozesse eingebunden werden.

Es wurde deutlich, dass die EU eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen und Ansätze verfolgen muss, um eine strategische Abhängigkeit bei der Rohstoffversorgung abzubauen. Konkret besprochene Aspekte waren der Ausbau der Verarbeitungskapazitäten in der EU sowie im globalen Süden, die Erweiterung der europäischen Kreislaufwirtschaft und schließlich der Aufbau von verlässlichen (Rohstoff-)Partnerschaften auf Augenhöhe.

1 Parthie

Die Position Europas auf dem Weltmarkt wird sich in den kommenden Jahren verändern. Die Politik auf EU-Ebene muss sich dieser bevorstehenden Veränderungen bewusst sein und entsprechend vorbereitend agieren. Der Weg zur neuen Position und Rolle muss daher von widerstandsfähiger Regionalpolitik geprägt und von starken Partnerschaften begleitet werden.

Die konstruktive und sachliche Debatte hat keine Universallösung hervorgebracht, aber sie ermöglicht den Stakeholder*innen einen Perspektivaustausch, der die Basis für weitere Zusammenarbeit und Lösungsfindung darstellen kann. Wir danken allen Sprecher*innen, Teilnehmenden sowie Matthias Ecke für ihren Beitrag, ihre Offenheit und einen zukunftsorientierten Morgen!

Ihr Kontakt zu uns.

Noch offene Fragen? Tritt mit uns in den Kontakt. Wir suchen den Dialog.

Kontakt aufnehmen
Cookie-Einstellungen
Auf dieser Website werden Cookie verwendet. Diese werden für den Betrieb der Website benötigt oder helfen uns dabei, die Website zu verbessern.
Alle Cookies zulassen
Auswahl speichern
Individuelle Einstellungen
Individuelle Einstellungen
Dies ist eine Übersicht aller Cookies, die auf der Website verwendet werden. Sie haben die Möglichkeit, individuelle Cookie-Einstellungen vorzunehmen. Geben Sie einzelnen Cookies oder ganzen Gruppen Ihre Einwilligung. Essentielle Cookies lassen sich nicht deaktivieren.
Speichern
Abbrechen
Essenziell (1)
Essenzielle Cookies werden für die grundlegende Funktionalität der Website benötigt.
Cookies anzeigen
Statistik (1)
Statistik Cookies tracken den Nutzer und das dazugehörige Surfverhalten um die Nutzererfahrung zu verbessern.
Cookies anzeigen