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Energiekrise, Energiewende und Industriestrompreis: Wie gestaltet sich eine wirkungsvolle Industrie- und Transformationspolitik für Deutschland? - Metalle
Oktober 9, 2023
Case Studies,Klimaschutz,Kreislaufgesellschaft,Perspektiven

Energiekrise, Energiewende und Industriestrompreis: Wie gestaltet sich eine wirkungsvolle Industrie- und Transformationspolitik für Deutschland?

Ein Gespräch mit Tom Krebs & Volker Backs

Energiekrise, Energiewende und Industriestrompreis: Wie gestaltet sich eine wirkungsvolle Industrie- und Transformationspolitik für Deutschland?

Im Kontext aktueller Krisen und einer sich grundsätzlich im Wandel befindenden Industrie und Wirtschaft in Deutschland, Europa und der Welt, hat die Diskussion rund um die Herangehensweise und Gestaltung einer modernen Industrie- und Wirtschaftspolitik wieder an Bedeutung gewonnen.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben und den transformationsrelevanten Fortschritt innerhalb der EU und Deutschland langfristig zu sichern, braucht es Förderinstrumente, wie etwa einen Brücken- oder Industriestrompreis. Ob Förderungen in dieser Größenordnung ökonomisch sinnvoll und langfristig finanzierbar sind, wird aktuell jedoch viel diskutiert.

Wir waren im Gespräch mit Volker Backs und Tom Krebs über die aktuelle Lage des Wirtschaftsstandorts Deutschland und verschiedene Ansätze für eine moderne Wirtschafts- und Transformationspolitik.

Volker Backs ist Geschäftsführer der Speira GmbH, einem führenden europäischen Aluminiumwalz- und Recyclingunternehmen mit etwa 5.500 Beschäftigten. Speira betreibt elf Recycling- und Walzproduktionsstätten in Deutschland und Norwegen und ist spezialisiert auf das Recycling von bis zu 650.000 Tonnen Aluminium pro Jahr sowie die Produktion von rund einer Million Tonnen Walzprodukten.

Tom Krebs ist ein Makro- und Arbeitsmarktökonom, der sich insbesondere mit Fragen der wirtschaftlichen Transformation befasst. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Industrie- und Transformationspolitik. Zuletzt widmete er sich ausführlich der Analyse hinsichtlich der Abhängigkeit von russischem Gas und der Gestaltung einer modernen Transformationspolitik.

 

Herr Krebs, Sie waren Gastprofessor am Bundesministerium der Finanzen. Während Ihrer Zeit dort wurden das Klimapaket verabschiedet und der Brexit finalisiert. Anfang 2020 begann dann die Corona Pandemie. Sie haben wesentliche Veränderungen und damit verbundene Entscheidungsprozesse also in vorderster Linie miterlebt. Was bedeuten Wandel und Transformation für Sie?

Krebs: Die Transformation umfasst verschiedene Dimensionen. Bei der Klimatransformation handelt es sich vor allem um ein Energiethema. Der Wandel weg von fossilen Energieträgern hin zu einer strom- und wasserstoffbasierten Produktionsweise stellt hierbei das Kernelement dar.

Transformation geht aber über reine Energiethemen hinaus. Allgemein kann man sagen: Es sollten bessere Produkte klimaneutral und mit weniger Ressourcen produziert werden. Damit das passiert müssen Kreislaufwirtschaft und (Design for) Recycling maßgebende Themen sein.

Schließlich ist es von großer Bedeutung, dass wir im Rahmen dieser Transformation den Dreiklang erreichen: Wohlstand sichern, Klimaschutz vorantreiben und den Arbeitsmarkt stärken.

Herr Backs, was bedeutet denn Transformation im Unternehmenskontext? Welche Rolle spielt die eingesetzte Energie? Geht der Transformationskontext innerhalb der Speira über den Energieeinsatz hinaus?

Backs: Transformation bedeutet für uns Zukunftsfähigkeit und ihr Anwendungsbereich erstreckt sich weit über Fragen der Energie hinaus.

Vor 25 Jahren verwendeten wir fast ausschließlich primäres Aluminium in unserer Produktion. Heute decken wir bereits mehr als ein Drittel unseres Bedarfs mit Sekundäraluminium, Tendenz steigend, was die Energieintensität der initialen Erzeugung vermeidet. Und dass, obwohl Aluminium ein vergleichsweise junges Industriemetall ist.

Ganz zentral für die Transformation ist auch die Dekarbonisierung der Weiterverarbeitung von Aluminium. Hier haben wir schon viele Schritte unternommen und werden bis 2045 klimaneutral sein.

Bei dieser Herausforderung sollten wir berücksichtigen, dass viele Unternehmen auf Scope 2 und 3 Emissionen nur begrenzten Einfluss haben. Die Bereitstellung von grüner Energie ist ein wesentlicher Faktor, der gewährleistet sein muss. Darüber hinaus spielt die Verfügbarkeit von notwendigen Vormaterialien und deren Transformationsreife eine entscheidende Rolle.

Die Bereitstellung von Grüner Energie ist ein viel diskutiertes Thema. Wie schätzen Sie die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland für Industrie und Klimaschutz ein?

Krebs: Klar ist, bis vor kurzem befanden wir uns in einer deutlichen Abhängigkeit von russischem Erdgas. Das entsprach lange Zeit einem gewissen gesellschaftlichen Konsens. Die Ampelkoalition hatte vor dem Ausbruch des russischen Krieges in der Ukraine einen vernünftigen und gut finanzierten Plan für die Klimatransformation ausgearbeitet. Die Energiekrise hat jedoch zu erheblichen Turbulenzen an den Märkten geführt und den Transformationsdruck dramatisch erhöht.  Deshalb werden die ursprünglichen Pläne der Ampelregierung der aktuellen Herausforderung nicht gerecht.

Inzwischen sehen wir die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Energiekrise. Ursprünglich hatten wir erwartet, dass wir im Jahr 2022 ein starkes Wachstum verzeichnen würden. Meine eigenen Berechnungen zeigen jedoch, dass wir bereits einen Produktionsverlust von 4% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das Jahr 2022 erlebten, begleitet von erheblichen Reallohnverlusten. Langfristig besteht die Sorge, dass wir uns auf eine Phase wirtschaftlicher Stagnation zubewegen. In diesem Fall hätten die kurzfristigen Krisenverluste zu dauerhaften wirtschaftlichen Schäden geführt.

Backs: Mir stellt sich die grundsätzliche Frage, warum wir uns in einer industriellen Situation befinden, in der wir eine Subvention von Energiepreisen zur Erhaltung internationaler Wettbewerbsfähigkeit benötigen.

Sie sprechen vom Industrie- und Brückenstrompreis.

Backs: Genau. Um das zu verstehen, muss man die Energiepolitik der letzten zwei Jahrzehnte betrachten. In dieser Zeit wurden erneuerbare Energien intensiv gefördert, mit dem Versprechen, dass ihr Preis bald marktfähig bzw. wettbewerbsfähig sein würde. Dies ist bislang nicht eingetreten. Deutsche Unternehmen sehen sich nach wie vor mit hohen Energiekosten konfrontiert, welche im internationalen Wettbewerb nicht über die Produktpreise weitergegeben werden können. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat hier eine Situation verschärft, die bereits zuvor eingesetzt hatte.

Krebs: Das Kernproblem in der Politik scheint momentan zu sein, dass die Krise als bewältigt angesehen wird und man zum ursprünglichen Koalitionsplan zurückkehren möchte. Allerdings ist dies problematisch, da sich die Rahmenbedingungen inzwischen grundlegend geändert haben. Die Bundesregierung sollte einen Plan entwickeln, der die bestehende Krise berücksichtigt und gleichzeitig eine Diskussion darüber führen, welche Industrien Deutschland in Zukunft benötigt. Ich unterstütze daher die Forderung nach einem Industriestrompreis.

Dann sprechen wir über moderne Industrie- und Transformationspolitik und über den Industriestrompreis. Welche Elemente sind hier wirkungsvoll?

Krebs: Für mich ist ein Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen Teil einer modernen Transformationspolitik. Prinzipiell sprechen drei Gründe für einen solchen regulierten Strompreis. Erstens war eine starke industrielle Basis immer das Fundament für Wohlstand in Deutschland. Es ist naiv zu glauben, dass wir die energieintensiven Produkte einfach alle importieren könnten, ohne dass ein wirtschaftlicher Mehrwert verloren ginge. Zweitens wäre dem Klimaschutz nicht gedient, wenn die Produktion wichtiger Vorprodukte wie z.B. Aluminium ins Ausland abwandern würde. Diese Produktion würde dann kohlebasiert und somit klimaschädlich in China oder Australien erfolgen. Drittens müssen Deutschland und Europa bei kritischen Grundstoffen und Vorprodukten unabhängiger von globalen Störungen werden. Das kann aber nur erreicht werden, wenn ein signifikanter Teil der Grundstoffe in Europa produziert wird – das ist auch die Essenz des „Critical Raw Material Act“ der Europäischen Kommission.

Backs: Bei der Gestaltung unserer Zukunft ist eine sorgfältige Analyse von entscheidender Bedeutung. Ich stimme Herrn Krebs zu: Wir sollten in Deutschland genau überlegen, welche Industrien wir benötigen und wollen, und dann konkret ausarbeiten, wie wir wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für diese Branchen schaffen können. Dabei sollten wir uns auch insbesondere der Konsequenzen bewusst sein, die mit diesen Entscheidungen einhergehen. Welche Auswirkungen hat gegebenenfalls der Verlust von Sektoren und eine einhergehende Steigerung der Abhängigkeit für die Versorgung unserer industriellen Wertschöpfungsketten und Deckung unserer persönlichen Bedarfe? In welchem Maße müssen wir uns an der Technologieentwicklung für die Produktion von transformationsrelevanten Rohstoffen und Produkten beteiligen, bzw. wo können wir es uns leisten, nicht dabei zu sein?

Darüber hinaus ist es wichtig, die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft hervorzuheben und vielleicht sogar von einer „Kreislaufgesellschaft“, anstatt nur von einer Kreislaufwirtschaft zu sprechen. Hierfür müssen endlich sinnvolle Fördermaßnahmen geschaffen werden, um die enormen Potentiale für den Klimaschutz und unsere Transformation auszuschöpfen.

Schließlich ist es für Unternehmen von entscheidender Bedeutung, Planungssicherheit zu haben. Diese wird derzeit von der Politik nicht ausreichend geboten. Es ist wichtig, dass nicht jedes Jahr neue Regelungen, insbesondere im Bereich Klima- und Energiepolitik, verabschiedet werden, um den Unternehmen strategische Entscheidungen zu ermöglichen.

Kritiker*innen des Industriestrompreises befürchten, dass nach der Brücke kein funktionierendes System rechtzeitig vorliegt. Wie muss sich der Energiemarkt künftig entwickeln und was für Instrumente gibt es außer einem pauschalen Industriestrompreis?

Krebs: Auch innerhalb der Energiekostendebatte werden die Auswirkungen der Krise nicht ausreichend berücksichtigt. Der gegenwärtige Strompreis liegt weit über dem langfristigen Gleichgewichtspreis, der nach Berechnungen durchschnittlich bei etwa 5-8 Cent pro Kilowattstunde (kWh) liegt. Es ist durchaus realistisch, dass wir diesen Gleichgewichtspreis in einigen Jahren erreichen können, wenn wir die Ausbauziele der Bundesregierung für die erneuerbaren Energien erreichen und den Strommarkt, wo nötig, reformieren. Für die Übergangsphase braucht es die Verlängerung einer verbesserten Strompreisbremse für alle Unternehmen bis 2030, um die Brücke zu einer besseren Zukunft zu schlagen. Der Industriestrompreis für die energieintensiven Unternehmen ist dann Teil dieses Gesamtpakets. Es ist auch wichtig zu betonen, dass es sich dabei um zeitlich begrenzte Subventionen mit direktem Bezug zur aktuellen Krise handelt. Mit dieser Maßnahme würde die Politik zeigen, dass sie ihre eigenen Versprechungen ernst nimmt und entsprechend handelt.

Ich stimme Volker Backs zu, dass in einer Krisensituation wie der aktuellen, Planungssicherheit für Unternehmen unerlässlich ist, und dazu gehört auch die Absicherung der Energiepreise.

Backs: Unabhängig von einem realistischen Zieljahr sollte ein Brückenstrompreis für die Industrie grundsätzlich nicht als Subvention angesehen werden, sondern eher als Korrekturmechanismus für Industrien, die von Carbon-Leakage bedroht sind, bis die Energiewende in vollem Umfang umgesetzt ist und Erneuerbare global wettbewerbsfähige Konditionen haben.

Die aktuelle Strompreisbremse ist in der momentanen Situation jedoch wenig nützlich, da der aktuelle Börsenpreis und auch der Futurepreis für das kommende Jahr nicht oder nicht wesentlich darüber liegt. Und das Niveau der Preisbremse ist mit 13 Cent pro MWh dreimal höher als der 10-jährige Durchschnitt vor der Krise. In der aktuellen Situation ist es von entscheidender Bedeutung, gezielte und vor allem wirkungsvolle Fördermaßnahmen zu ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu erhalten und die Auswirkungen der Energiepreise auf Unternehmen zu mildern.

Und es ist wichtig zu erkennen, dass Energiepolitik auch gleichzeitig Rohstoffpolitik ist. Rohstoffe sind in ihrer Produktion energieintensiv, und daher besteht ein direktes Verhältnis zwischen Energiepolitik und Rohstoffproduktion. Veränderungen in der Energiepolitik haben also erhebliche Auswirkungen auf die Kosten und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Industrie am Anfang der Wertschöpfungsketten.

Das Thema des Arbeitsmarktes und dessen Beschaffenheit in einer Krise wie dieser ist natürlich auch von großer Bedeutung. Was für Folgewirkungen aus diesem politischen Bestreben der Krisenbewältigung und gleichzeitigem Vorantreiben der Transformation sind denn zu erwarten?

Backs: Die Industrie, als wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, schafft Tarif-Arbeitsplätze, treibt wirtschaftliches Einkommen, Wachstum und technischen Fortschritt, und spielt eine entscheidende Rolle in der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen. Gleichzeitig hat die Industrie auch Verantwortung, insbesondere im Hinblick auf Umweltschutz, Nachhaltigkeit und auch Sozialpartnerschaft. Es ist daher wichtig zu verstehen, wie die Industrie in das soziale Gefüge eingebettet ist und wie sich Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie bei der Transformation auf das Wohl der Gesellschaft auswirken.

Krebs: Ich finde auch, dass die Diskussion über die Rolle der Industrie in Deutschland keineswegs die gesellschaftlichen Auswirkungen außer Acht lassen sollte. Oft wird diese Debatte, insbesondere unter Ökonomen, geführt, ohne ausreichend auf die sozialen und gesellschaftlichen Konsequenzen einzugehen. Es ist wichtig, dass in solchen Diskussionen die langfristigen sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen sorgfältig berücksichtigt werden. Die Rolle der Industrie in einer Volkswirtschaft geht weit über wirtschaftliche Kennzahlen hinaus und hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Lebensqualität, den Arbeitsmarkt, die Umwelt und die soziale Stabilität.

 

Herr Backs, Herr Krebs. Vielen Dank für das spannende Interview.

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